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Wien: "Christkindlmarkt auf dem Rathausplatz"
C-Print 165 x 223 cm, Holzrahmen, Glas.
Auflage: 5
2004


Digital Album

DAS NEU BERECHNETE BILD

Was zeigt ein Bild? Vorsichtig gesprochen zeigt ein Bild immer Farben und Formen. Farben sind aus keinem Bild wegzudenken, auch wenn es schwarz-weiß ist. Weiß in allen seinen Tönungen ist immer eine mehr oder weniger gleichmäßige Mischung aller Farben, schwarz existiert überhaupt nur als Farbe von so geringer Helligkeit, daß der Farbwert für das menschliche Auge nicht mehr wahrnehmbar ist. Formen sind ebenfalls in jedem Bild zu finden, wenngleich sie manchmal eine Gestalt annehmen, die unserem begrifflichen Repertoire noch nicht zugänglich ist. Doch bisher hat die Kunstgeschichte noch immer solche Phänomene begrifflich einzuholen vermocht; und es bedarf keiner allzu großen Zuversicht um zu behaupten, daß ihr das auch weiterhin gelingen wird.

Die Bilder aus Andrej Barovs Serie ‚Digital Album‘ zeigen nun vertraute Formen:
Buchstaben- und Ziffernkolonnen. Jedoch ergeben sie keinen Sinn. Einen solchen Sinn unterstellt jedoch der jeweilige Titel, zum Beispiel ‚Wien‘, ‚New York‘, für jedes einzelne Bild. So sollte man vielleicht vorsichtiger sagen, daß sich der Sinn der Formen wenigstens dem menschlichen Betrachter verschließt. Dennoch ist er in diesen Formen enthalten. Nur eben so, wie auch eine Pflanze nicht als miniaturisiertes Exemplar, sondern irgendwie anders in ihrem Keim enthalten ist. Doch könnten wir den Sinn der Bilder für uns erschließen, wie er als Code für den Computer lesbar ist, für den dieser von uns geschaffen ist? Obwohl von Menschenhand (und -geist) geschaffen wird uns der Sinn des Computercodes immer ein Rätsel bleiben, wie es schon einmal in einem anderen, ähnlich gelagerten Fall gezeigt wurde: Auch von der Fledermaus ist uns die Architektur ihres Wahrnehmungsapparates und ihres Nervensystems bekannt und zugleich wissen wir doch nicht und werden auch niemals wissen, wie es ist, eine Fledermaus zu sein. Also zeigt sich dem Betrachter des ‚Digital Album‘, daß sein besonderer Begriff der Welt immer schon in deren Ansicht enthalten ist, der Mensch also schon mit dem bloßen Auge begreift. Die Gegenstände ­ im Fall des ‚Digital Album‘ sind es Stadtansichten ­ nehmen keine andere Gestalt an, sondern sie nehmen nur anders dieselbe Gestalt an: nicht mehr auf den Menschen hin angelegt, wie es seit der Malerei der Renaissance üblich ist, sondern für den Computer berechnet. Das ist ein Novum.

Das ist aber nicht die einzige Explikation im ‚Digital Album‘. Verschiedene Stadtansichten sind nicht allein in unvertrauten Begriffen zu sehen, sondern auch in einem solchen begrifflichen Code, der ihre exakte mechanische Reproduzierbarkeit ermöglicht. Dabei ist die mögliche Übereinstimmung zwischen den einzelnen Exemplaren erstmals vollständig, es gibt also weder Original noch Kopie. Zugleich ermöglicht der begriffliche Code neue Möglichkeiten der Manipulation, die nicht mehr vom fotographierten Objekt oder von der fotographischen Technik im weitesten Sinne induziert sind, sondern eben von Variationen im begrifflichen Code. Solche Variationen erlauben erstmals den Schritt in die Räumlichkeit der Fotographie, ja des einzelnen Fotos selbst.

‚Digital Album‘ ist auf jede dieser Weisen Digitalfotografie, die sich in der Form des Computercodes der Bilder selbst zeigt. ‚Digital Album‘ ist in diesem Sinne nach Theo van Doesburg konkrete Kunst, erstmals und endlich ‚konkrete Digitalfotografie‘.

Karsten M. Thiel
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